Redebeitrag aus dem Gemeinderat
Die Anpassung der Elternentgelte ist immer ein sehr vielschichtiges Vorhaben, das dazu geeignet ist, insbesondere, wenn Änderungen in der Systematik notwendig werden, Ungerechtigkeitsempfinden aufkommen zu lassen.
Auch die Grüne Gemeinderatsfraktion würde es begrüßen, wenn Bildung und Betreuung von Kindern im Vorschulalter für die Eltern kostenneutral wären. Auch wir würden es begrüßen, wenn die Gemeinschaft also das Land oder der Bund diese Kosten aus Steuermitteln tragen würden. Dies ist aber leider vom Gesetzgeber (bisher) nicht vorgesehen.
Dies kommunal zu fordern ist leicht – es zu finanzieren deutlich schwieriger und hierzu haben wir noch keine finanzrechtlich durchführbaren Ausgleichsfinanzierungsvorschläge von den Fraktionen und Gruppierungen des Gemeinderats gehört, die dies fordern.
In der Historie der Elternbeiträge, und wir nennen sie hier bewusst so, gab es vor 2012 eine Zeitspanne, in der 10 Jahre keine Anpassungen vorgenommen wurden.
So konnten die Elterngenerationen, die in dieser Zeit ihre Kinder in Esslinger Einrichtungen hatten, davon zu Lasten der folgenden Elterngenerationen profitieren.
Damit diese Ungerechtigkeiten nicht wieder vorkommen haben wir uns im Ausschuss für Bildung und Betreuung und im Gemeinderat seinerzeit darauf geeinigt, regelmäßige Anpassungen vorzunehmen.
Das gebietet die Fairness innerhalb der Generationen.
Mit der heutigen Vorlage ist ein Beschluss zu fassen, der zudem weitere Ungleichheiten ausräumt, die Einkommensstufen nach oben breiter staffelt und das extreme Ungleichgewicht der VÖ-Betreuung zur Ganztagsbetreuung bereinigt.
Die Verwaltung hat einen umfangreichen Beteiligungsprozess in Form eines Arbeitskreises eingerichtet. Dem Arbeitskreis gehörten neben der Verwaltung und den großen Trägern auch immer der Gesamtelternbeirat und die Fraktionen an.
Alle Beteiligten – auch die Vertretung der Elternschaft – waren stets in guter Weise eingebunden. Die Verwaltung hat gemeinsam mit allen Beteiligten unzählige Rechenbeispiele angestellt und war auch nach den Sitzungen immer für Rückfragen ein verlässlicher Ansprechpartner.
Gehört werden und sich gehört fühlen sind nicht immer deckungsgleich - korrelieren nicht zwangsläufig miteinander, zumal wenn die Ergebnisse nicht das wiedergeben, was man erhofft hat.
Einvernehmen bestand im Arbeitskreis und bei allen Beteiligten von vornherein darin, soziale Gerechtigkeit über die Einkommensstufen abzubilden.
Es war klar, dass die bisherigen Einkommensstufen angepasst werden müssen.
Wenn bisher 43 % der Eltern in der höchsten Einkommensstufe zu finden waren, tragen somit einkommensschwächere Familien unverhältnismäßig mehr Last.
Das ist sozial ungerecht.
Das heißt: die bisherigen Gebührenstufen waren in ihrer Staffelung mittlerweile nicht mehr so ausgewogen, wie sie es damals zu ihrer Einführung waren und das wird nun korrigiert.
Wir sind der Ansicht, dass es absolut notwendig ist, dass Familien mit einem höheren Einkommen mehr zahlen als Familien mit geringerem Einkommen.
Es ist sozial ausgewogener, wenn Familien mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro deutlich weniger für die Kinderbetreuung bezahlen als Familien mit 100.000 oder 160.000 Euro.
Diese soziale Staffelung führt natürlich dazu, dass nun Familien mit höherem Einkommen prozentual deutlich mehr bezahlen als Familien mit geringerem Einkommen.
Das ist aus sozialen Gründen so gewollt.
Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern. Dazu steht die Grüne Gemeinderatsfraktion.
Dies halten wir für gerechter und orientiert am Gemeinwohl.
In der Einkommensstufe bis 100.000€ ergibt sich im U3 Bereich bei einer 5-Tage-Betreuung damit eine Elternbeteiligung von 2,90€ pro Betreuungsstunde.
Zugebenermaßen steigt diese Beteiligung in der höchsten Einkommensstufe auf 5,07€ pro Betreuungsstunde an.
Die vielzitierte Landesempfehlung der kommunalen und kirchlichen Landesverbände, mit einem Deckungsgrad von angestrebten 20% bezieht sich lediglich auf die Regelbetreuung und Regelbetreuung mit verlängerten Öffnungszeiten.
Von einer Empfehlung für den Ganztagesbetrieb nehmen die Verbände bewusst und ausdrücklich Abstand.
Auch mit der Erhöhung der Elternentgelte wird die Stadt Esslingen nach Abzug der Landeszuschüsse und den Gebühren der Eltern jährlich ca. 41,2 Mio. Euro aus dem städtischen Haushalt für die Kinderbetreuung aufwenden.
Die Unterdeckung in der Kinderbetreuung wird zudem weiter jährlich um ca. 3,5 Mio. Euro steigen.
Damit wird deutlich, dass die Allgemeinheit der Esslinger Bürgerinnen und Bürger – ob sie nun Kinder haben oder nicht, ob jung oder alt, über den städtischen Haushalt mit einer enormen Summe zur Finanzierung der Betreuung der Esslinger Kinder beitragen.
Für die Gesamtheit der über 4.000 Betreuungsplätze in unserer Stadt wendet die Gemeinschaft diese 41,2 Mio. Euro auf.
Das ist gut und richtig so und dient offensichtlich nicht dazu den städtischen Haushalt zu sanieren.
– sonst gäbe es logischerweise nicht so eine hohe Unterdeckung.
Der Anteil der Elternentgelte an den Kosten der Kinderbetreuung deckt lediglich rund 11 Prozent der Kosten. Dabei sind die steigenden Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher – die wir ausdrücklich begrüßen! – nicht eingerechnet.
Ebenfalls sind die steigenden Kosten für Energie und Wärme in den Kitas und Schulen, in den Pflegeheimen und allen öffentlichen Einrichtungen - die uns als Stadt ebenso belasten wie jeden Haushalt - noch nicht berücksichtigt.
Natürlich wissen wir, dass dieses Wissen es für betroffene Familien nicht einfacher macht. Aber wir möchten an Sie appellieren, zu berücksichtigen, dass wir als Stadtgemeinschaft vielfältige (Pflicht-)aufgaben zu erfüllen haben, die die Stadtgemeinschaft finanzieren muss. Wir müssen uns in unserer schönen Stadt an unseren Möglichkeiten orientieren. Und die werden immer geringer, denn die Einnahmen der Kommunen sinken und halten mit den Aufwendungen für die Aufgaben seit Jahren nicht mehr Schritt.
Als Gemeinderäte sind wir dem Wohl der Stadt in Gänze verpflichtet. Wir müssen Entscheidungen treffen, die sowohl Junge als auch alte Menschen einschließen, Familien ebenso wie Menschen mit sehr geringem Einkommen oder Menschen mit hohem Betreuungsbedarf oder Behinderungen oder Krankheit.
Es ist und war uns in Esslingen immer wichtig, dass wir eine gute, pädagogisch wertvolle Kinderbetreuung anbieten. Das ist uns bisher auch gelungen.
Dafür ein herzliches Dankeschön an die Teams in den Einrichtungen und in der Verwaltung.
Damit das so bleiben kann, müssen wir leider auch die Eltern mehr als bisher mit ins Boot nehmen.
Wir sind sehr froh, dass wir in unserer Stadt bereits einkommensabhängige Elternbeiträge haben. Da sind andere Kommunen noch nicht so weit. Auch deshalb ist der Vergleich mit anderen Städten nicht so einfach möglich. Ferner haben wir einen ganzen Strauß von unterschiedlichen Betreuungszeiten und Geschwisterermäßigungen, die einen Vergleich mit anderen Kommunen, die dieses Angebot nicht oder anders haben, ebenfalls erschwert.
In den unteren Einkommensgruppen muten wir nun den Eltern zu, die Zuschüsse und sozialen Hilfen, zu denen sie berechtigt sind, zu beantragen.
Da die Wohngeldgrenzen sinken, wird für viele ab 2023 ein Anspruch gegeben sein. Auch Stadtpass und Kindergeld plus führen zu Reduktion der Gebühren für Berechtigte. Lassen Sie sich beraten und beantragen Sie die Ihnen zustehenden Hilfen.
Es zeichnet sich im gesamten Bundesgebiet ab, dass es einen enormen Ansturm auf z.B. Wohngeldhilfestellen geben wird. Uns ist wichtig, dass diese Elternhäuser auf alle möglichen Hilfen, die ihnen zustehen hingewiesen und beraten werden, auch mit einem Link auf der Homepage der Stadt zu den entsprechenden Sozialleistungen.
Hier ist die Verwaltung gefragt. Denn wir erwarten von der Verwaltung einen Vorschlag, wie wir damit umgehen, wenn die Zeiten zwischen Antragstellung und Genehmigung des Antrags überbrückt werden müssen. Hier sollte uns die Verwaltung rasch einen Lösungsansatz vorstellen.
Natürlich ist der Zeitpunkt jetzt durch die aktuelle Lage mit dem völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine und den in der Folge steigenden Energie- und Verbraucherpreisen nicht optimal. Aber da diese steigenden Preise alle Menschen im ganzen Land treffen und auch den Haushalt der Stadt Esslingen extrem belasten sehen wir keine andere Möglichkeit. Ein Ende des Krieges ist leider nicht absehbar. Der Bund hat diverse Hilfspakete für die Bürgerinnen und Bürger beschlossen, die – so hoffen wir – die Energiekosten für die Bürgerschaft und die Unternehmen reduzieren und damit die Situation für alle Menschen, auch die Familien, etwas entspannen.
Im Übrigen nicht für die Kommunen. Die Städte und Gemeinden sind in all den Hilfspaketen bisher nicht berücksichtigt.
Zudem ist ein Zeitpunkt für Gebührenerhöhungen immer falsch. Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für Beschlüsse, um Menschen oder Familien mit höheren Kosten zu belasten. Daher stehen wir als Gemeinderätinnen und Gemeinderäte im Dilemma. In einem Dilemma, das sich nicht lösen lässt.
Es ist uns wirklich sehr schwergefallen, aber in der Abwägung und einem schmerzhaften Entscheidungsfindungsprozess sind wir als Grüne Gemeinderatsfraktion letztlich zu der Entscheidung gelangt, dem Verwaltungsvorschlag nach einer stufenweisen Erhöhung der Elternentgelte für die Kinderbetreuung ab Frühjahr 2023 zuzustimmen.
Gabi Kienlin
Gemeinderatssitzung 17.10.2022