Sehr geehrter Herr Baubürgermeister Sigel,
seit einigen Monaten diskutiert die Esslinger Bevölkerung, ob Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) im Wirkungsbereich der sogenannten Gesamtanlagensatzung erlaubt werden sollten. So auch bei der Veranstaltung „Altstadtviertele“ am 10. November 2022, bei der auch Sie referiert hatten. Ihre dort getätigte Aussage „nach Lösungen zu suchen, um PV-Anlagen zu ermöglichen“ freut uns. Auch ihren Hinweis auf denkmalverträgliche Solaranlagen, die sich gut ins Stadtbild einfügen, sehen wir sehr positiv. Es ist wichtig, dass den vereinzelten Vorurteilen von den „hässlichen Solaranlagen“ entgegengetreten wird. Denn der bei der Veranstaltung oft angeklungene, künstlich aufgebaute Gegensatz zwischen Denkmalschutz und Erneuerbaren Energien existiert nicht. Beides kann und muss neben- bzw. aufeinander existieren.
Wir alle wollen unsere Kulturdenkmäler, unsere Geschichte, bewahren, auch für zukünftige Generationen. Zugleich müssen wir entschieden gegen die Klimakrise kämpfen und uns schnell von fossilen Energieträgern lösen. PV-Anlagen auf Denkmälern können zu beidem einen wichtigen Beitrag leisten: die Anlagen produzieren saubere Energie und tragen gleichzeitig zur Wirtschaftlichkeit und so zum Erhalt von Denkmälern bei.
Alle politischen Ebenen betonen die Wichtigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren Energien: auf Bundesebene spricht § 2 EEG 2023 von „überragendem öffentlichen Interesse“ und „dem Beitrag für die öffentliche Sicherheit“. Die Landesebene stellt mit der Novellierung des Klima- und des Denkmalschutzgesetzes klar, dass PV-Anlagen in der Regel genehmigt werden sollen. Auch das Regierungspräsidium und das Landesamt für Denkmalpflege sowie das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen unterstützen dies mit ihren Leitfäden und Handreichungen.
Esslingen als Wegweiser für modernen Denkmalschutz
In der Esslinger Altstadt geht es aber nicht nur um einzelne Dächer. Die Gesamtanlagensatzung verhindert PVAnlagen in ihrem gesamten Wirkungsgebiet. Das Verbot gilt also nicht nur für denkmalgeschützte Gebäude, sondern auch für Dächer von Gebäuden, die in den 60ern entstanden sind oder erst noch gebaut werden. Dieses pauschale Verbot lehnen wir ab und fordern die Stadt auf, hier schnellstmöglich Änderungen herbeizuführen.
Bei dieser Entscheidung geht es um mehr, als nur Dachflächen und Kilowattstunden. Die Stadt Esslingen hat die einmalige Chance, Wegweiser und Leuchtturm für Kommunen in ganz Deutschland zu sein. Esslingen besitzt die viertgrößte Gesamtanlage in Baden-Württemberg und ist darüber hinaus Sitz des Landesamtes für Denkmalpflege. Wir sollten mutig vorangehen und modellhaft einen Weg aufzeigen, wie lebenswerte Altstadt und moderne Energieversorgung in Einklang gebracht werden können. Die Symbolkraft eines solchen möglichen „Esslinger Wegs“ ist nicht zu unterschätzen.
Darum appellieren wir an Sie, Herr Bürgermeister Sigel, sowie an Herrn Oberbürgermeister Matthias Klopfer und alle Fraktionen im Gemeinderat, überholte Verbote schnellstmöglich aus dem Weg zu räumen und einen neu gedachten Denkmalschutz in Zeiten der Klimakrise zu etablieren. Warten Sie nicht auf Entscheidungen von Städtetag oder anderen, Sie haben bereits Rückendeckung von allen politischen Ebenen. Auch die Grüne Gemeinderatsfraktion hatte bereits im Jahr 2021 einen Antrag eingebracht und PV-Anlagen auf Altstadtdächern gefordert. Stimmen Sie nun am 30.11. dem Antrag der Grünen Gemeinderatsfraktion zu und machen Sie die Esslinger Altstadt fit für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Baecker, Ilka Raven-Buchmann, Jessica Deiss, Christian Schulz, Rose Lutz, Ulrike Hallenbach, Dr. Johannes Klenk und Dr. Karen Tiede
Ortsvorstand Bündnis 90/Die Grünen, Ortsverband Esslingen am Neckar
Foto: Patrick Müller | Flickr