„Wir müssen innehalten und entscheiden, welche Investitionen wir jetzt brauchen“, eröffnete Andrea Lindlohr, die Esslinger Landtagsabgeordnete der Grünen ihre Veranstaltung „Finanzpolitik gegen die Krise“ in Esslingen.
Eingeladen war der baden-württembergische Finanzminister Dr. Danyal Bayaz. Mit rund 90 interessierten Bürgerinnen und Bürgern sprachen die beiden Politiker*innen über die drängenden Krisen unserer Zeit und wie man diese mit einer klugen, nachhaltigen Finanzpolitik meistern kann. „Unseren wirtschaftlichen Wohlstand erhalten und unsere Lebensgrundlage schützen“, so fasst Bayaz die Herausforderungen zusammen, vor denen er als Finanzminister jetzt steht.
Zu den Krisen gehören: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise, Inflation und steigende Preise und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Die Klimakrise ist jetzt schon akut, wird uns aber als Gesellschaft auch noch für Jahrzehnte weiter begleiten. Bayaz bezeichnet sich selbst als „Berufsoptimist“. Mit der Zeitenwende durch den Krieg in der Ukraine könne man nicht „business as usual“ betreiben. Lindlohr ergänzt, dass wir hier in unserer wirtschaftlich starken Region in dieser Hinsicht auch besonders verletzlich seien. „Für Esslingerinnen und Esslinger ist wichtig, dass wir wieder verstärkt mit regionalen Wertschöpfungsketten produzieren.“
Finanzierungsfragen sind für die beiden Politiker*innen dabei an erster Stelle auch immer Gerechtigkeitsfragen. „Wir müssen die Globalisierung fair, nachhaltig und gerecht für alle gestalten“, ist sich Bayaz sicher. Dabei müsse Deutschland als wirtschaftlich starkes Land seine Vorbildfunktion nutzen.
Und auch hier im Land müsse man die „soziale Brille“ aufsetzen, so der Finanzminister. Beide Politiker*innen waren sich einig, dass man jetzt Schwerpunkte setzen müsse. Wer ist von den Krisen besonders betroffen? Wer braucht jetzt ganz konkret unsere Hilfe. Beispielsweise Menschen, die schon vor den gestiegenen Preisen am Existenzminimum gelebt haben. „Der Winter kommt und wird eine teure Zeit für die Bürgerinnen und Bürger“, betont auch Lindlohr.
Wichtig sei, dass der Staat und die Bürger*innen jetzt auch beim Gassparen zusammenhalten, um die Versorgung für alle zu sichern. Insgesamt dürfe man aber auch die Generationengerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren. „Schulden, die wir jetzt machen, müssen irgendwann zurückgezahlt werden“, erinnert Bayaz.
Gelder für den Klimaschutz seien wichtig, insbesondere müssten für Unternehmen Anreize geschaffen werden, die Klimaneutralität zu erreichen. „Heute haben wir gleichzeitig Investitionsbedarf und Entlastungsbedarf. Hier einen Ausgleich zu finden, das ist die schwierigste Aufgabe für Bund und Land.“ Daher sprachen sich beide Politiker*innen klar dafür aus, Prioritäten zu setzen. In Baden-Württemberg sieht Bayaz diese bei Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung. Doch woher kommt das Geld dafür?
„Die Zeiten, in denen wir allen helfen konnten, sind vorbei. Jetzt müssen wir der oberen Mittelschicht mehr zumuten und gleichzeitig die finanziell Schwächeren entlasten“, fasst Bayaz zusammen.
Lindlohr und Bayaz begrüßen, dass die Bundesregierung über weitere Entlastungen berät, diese müssen aber zielgerichtet sein. Lindlohr betont, wie wichtig der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger*innen sei. Dieser müsse unbedingt weitergeführt werden. Als Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen will Lindlohr bei den Haushaltsberatungen unbedingt erreichen, dass es genügend Mittel für den sozialgebundenen Wohnungsbau gibt.
„Krisen sind auch immer ein Fenster für Veränderungen“, ist sich Bayaz sicher. So sei man mit dem konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien auf Grund der durch Russland ausgelösten Energiekrise endlich auf dem richtigen Weg. Lindlohr ist zuversichtlich, dass die Anstrengungen ihres Ministeriums für mehr Flächen für Windkraft und Photovoltaik auf Zustimmung bei den Bürger*innen treffen werden.
„Es genügt aber nicht, immer nur auf den Staat zu gucken“, betont Bayaz. 90 Prozent der Nachhaltigkeit komme vom Markt. Im Ergebnis müssten bei der Bewältigung der Krisen alle mitwirken. Der Bund, das Land, die Kommunen, aber auch Unternehmen und privates Kapital am Finanzmarkt sowie die Bürger*innen.