Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren Bürgermeister und Mitarbeitende der Verwaltung, sehr geehrte Damen und Herren der Bürgerschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Esslingen steht – wie alle Kommunen – vor großen finanziellen Herausforderungen: Die geopolitische Lage, die Transformation der Wirtschaft, Abschottung der Märkte und schlechte Konjunkturerwartungen treffen unseren von der Autoindustrie geprägten Standort besonders hart.
Allerdings ist es auch nicht das erste Mal, dass wir durch eine wirtschaftliche Krise gehen und die Gewerbesteuereinnahmen sinken – aber selten waren die Herausforderungen so groß! Gleichzeitig stehen wir vor vielfältigen Aufgaben: Klimawandel, gesellschaftliche Spannungen, Populismus, globale Konflikte, Migration, Energie- und Mobilitätswende, bezahlbarer Wohnraum, Bildungsgerechtigkeit und das Bedürfnis nach mehr Sicherheit und Sauberkeit– all das bewegt unsere Stadtgesellschaft.
Auf die Weltwirtschaft haben wir keinen Einfluss – trotzdem können wir gestalten. Wir Grüne sehen in dieser Lage nicht nur Probleme, sondern auch Möglichkeiten. Denn wir investieren in eine Stadt, in der Menschen gerne leben: in Schulen und Sporthallen, das Klinikum, Brücken, die Stadtbücherei und in Klimaanpassung. In eine moderne, klimaresiliente und lebenswerte Stadt von morgen.
Dass in guten Jahren Rücklagen gebildet und Schulden abgebaut wurden, verschafft uns nun Handlungsspielräume. Dennoch ist klar: Die laufenden Ausgaben müssen runter. 11 Millionen Euro Sachkosten und rund 200 Stellen sollen bis 2030 eingespart werden. Deshalb erwarten wir, dass alle Verwaltungsleistungen konsequent digitalisiert werden. So können wir bürgerfreundlicher werden und zugleich Personal einsparen.
Auf der Einnahmenseite sind die Möglichkeiten begrenzt. Die geplanten Steuererhöhungen sind umstritten – und nicht dafür geeignet, den Haushalt zu sanieren.
Vergangene Woche sagte Innenminister Thomas Strobl beim Kommunaltag: Zitat „Unsere Kommunen sind die Herzkammer unserer Demokratie. Sie leisten Herausragendes, sie stehen vor großen Herausforderungen und erfüllen dabei mit begrenzten Ressourcen immer mehr Aufgaben. Freilich müssen wir nun auch wieder eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen. Die jetzige Bundesregierung hat sich explizit zur Veranlassungskonnexität bekannt. Das heißt: Wer bestellt, zahlt. Das ist genau der richtige Weg. Ergänzend dazu gilt es, die Kommunen von hohen Standards und Bürokratie zu entlasten – für weiterhin starke und verlässliche Kommunen.“
Dem stimmen wir voll und ganz zu! Daher brauchen die Kommunen endlich einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer damit sie Zukunft vor Ort gestalten können.
Bis dahin führt kein Weg daran vorbei, sparsam zu wirtschaften und laufende Verwaltungskosten zu reduzieren.
Wir dürfen aber nicht an der Substanz sparen. Wer Infrastruktur verfallen lässt, schafft verdeckte Schulden. Das ist nicht klug. Investitionen in Schulen, Brücken, das Klinikum oder die Bücherei sind hingegen Investitionen in städtisches Vermögen und in die Zukunft unserer Kinder.
Aus unserem Grünen Selbstverständnis von Verantwortung für unsere Stadtgesellschaft tragen wir die geplanten Investitionen von 150 Millionen Euro, die in diesem Haushalt hinterlegt sind, ebenso mit wie die vorgeschlagenen Konsolidierungsmaßnahmen und die damit verbundene Neuverschuldung – denn Schulden sind dann gerechtfertigt, wenn sie Zukunft schaffen.
Für uns Grüne heißt das: Wir investieren gezielt in das, was Esslingen stark macht – Klimaschutz, Bildung, Zusammenhalt und eine nachhaltige Wirtschaft.
Dazu gehört wirtschaftliche Resilienz. Wir brauchen mehr Diversifizierung und weniger Abhängigkeit vom Automobil- und Maschinenbau. Eine echte Kreislaufwirtschaft würde unsere Wirtschaftsstruktur breiter aufstellen und krisenfester machen. Das könnte uns gegen konjunkturelle Schwankungen und Krisen stärken. Hier sehen wir Chancen und einen Handlungsbedarf für Esslingen.
Daher beantragen wir einen Strategiedialog zu Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft zusammen mit dem Landkreis und der Wirtschaft zu initiieren. Geprüft werden soll ein Sekundärrohstoffzentrum nach Vorbild Stuttgarts. Ferner soll die Verwaltung eine Strategie zur Anwerbung neuer Unternehmen und Start-Ups erarbeiten und die interkommunale Zusammenarbeit deutlich ausweiten.
Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen macht uns der Klimawandel extrem zu schaffen.
Wir müssen die Treibhausgasemissionen deutlich senken und gleichzeitig in die Anpassung der längst spürbaren Folgen des Klimawandels investieren. Hitze, Starkregen und Trockenheit nehmen zu. Die Menschen in unserer dicht bebauten Stadt – vor allem in den Tallagen - leiden darunter.
Daher beantragen wir ein Maßnahmenpaket aus Begrünung, Entsiegelung und den Ausbau dezentraler Energiequellen. Wir verbinden ökologische, soziale und ökonomische Ziele miteinander. Begrünte Fassaden und entsiegelte Flächen senken die Aufheizung im Sommer, speichern Wasser, filtern Feinstaub und fördern die Biodiversität. Auch Privatleute wollen wir einbeziehen – Pflanzen für Fassadenbegrünung sollen künftig über das städtische Förderprogramm bestellt werden können. Und mit unserem neuen Schulprogramm „Klimaschutz macht Schule“ wollen wir gemeinsam mit dem Grünflächenamt und engagierten Lehrer:innen Schulhöfe entsiegeln, begrünen und damit Lernorte schaffen, die Klima- und Bildungspolitik zugleich sind.
Klimaschutz heißt auch: Unabhängigkeit von fossilen Energien. Wir fordern daher, dass die Stadtwerke Esslingen den Bau einer Flusswärmepumpe im Neckar prüfen und realisieren.
Gleichzeitig wollen wir die Bürger:innen stärker beteiligen – mit der Gründung einer Energiegenossenschaft, unterstützt durch Stadtwerke und Verwaltung. Und wir wollen es ganz praktisch machen: Sammelbestellungen für Balkonkraftwerke und PV-Module, um Rabatte zu erzielen und den Einstieg in die Energiewende für alle zu erleichtern. So wird die Energiewende zur Gemeinschaftsaufgabe – bezahlbar, lokal und solidarisch.
Stadt und Bürgerschaft profitieren in vielfache Weise, wenn Menschen häufiger zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs sind. Daher begrüßen wir die Erstellung und Umsetzung des Nahmobilitätskonzepts und des Klimamobilitätsplans. Mit unseren Anträgen zur nachhaltigen Mobilität wollen die Umsetzung flankieren.
Wir beantragen, dass nach der Fertigstellung des Neckaruferpark der Ufer-Radweg auf der Nordseite des Neckars saniert und verbreitert wird. Im gesamten Stadtgebiet fehlen sichere Fahrradabstellanlagen. Bis zum Jubiläumsjahr 2027 soll sich die Anzahl der aufgestellten Fahrradbügel verdoppeln. Ferner beantragen wir eine Ausweitung der Carsharing-Stellplätze und eine Ausweitung des Anwohnerparkens, um die Stadt und den Autoverkehr deutlich zu entlasten. Mittels eines Scanfahrzeugs soll die Parkraumkontrolle digitalisiert und kostengünstiger gemacht werden.
Wohnen bleibt eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Wir wollen, dass mehr Menschen in Esslingen bezahlbar wohnen können – ohne neue Flächen zu verbrauchen. Denn neben dem Neubau stellt die konsequente (Um-)Nutzung des vorhandenen Gebäudebestands eine Entlastung des Wohnungsmarkts dar.
Wir beantragen, dass Aufstockungen und Dachausbauten einfacher genehmigt, dauerhaft leerstehende Einzelhandelsflächen auch in Wohnraum umgebaut sowie kreative Zwischennutzungen möglich werden. So entsteht neuer Wohnraum in bestehenden Quartieren – klimafreundlich, sozial und nachhaltig.
Die Ausweisung zusätzlicher Sanierungsgebiete ermöglicht steuerliche Vorteile und löst Investitionen in den Gebäudebestand aus.
Die Verwaltung berät den Gemeinderat wo neue Sanierungsgebiete zielführend sind, um Sanierungen, Aufstockungen, Dachaus- und Anbauten zu fördern, um damit Wohnraum zu günstigeren Konditionen zu realisieren.
Psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Schulen, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe berichten von wachsender Überforderung und sozialer Unsicherheit.
Wir wollen einen stadtweit koordinierten „Mental Health Day“ mit und an allen Esslinger Schulen. Der Aktionstag soll Schüler:innen für psychische Gesundheit, Stressbewältigung und gegenseitige Achtsamkeit sensibilisieren und kann dazu beitragen diese Themen niederschwellig in den Schulalltag zu integrieren.
Viele Kinder und Jugendliche in Esslingen haben aufgrund sozialer oder wirtschaftlicher Umstände keinen Zugang zu außerschulischer Lernförderung. Um Bildungschancen unabhängig von Herkunft und Einkommen zu stärken brauchen wir mehr niedrigschwellige, kostenfreie Förderangebote. Die Verwaltung soll Vorschläge machen, wie kostenfreie Lernpartnerschaften für Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf aufgebaut werden können – getragen von Ehrenamtlichen, Schulen und Vereinen.
Wir wollen, dass Esslingen eine offene und solidarische Stadtgesellschaft bleibt. Dazu gehört Transparenz und Teilhabe. Darum schlagen wir vor, dass künftig die Schwörtagsredner:innen vom Gemeinderat beschlossen werden – für mehr demokratische Offenheit bei einem so zentralen und geschichtsträchtigen Symbol unserer Stadt.
Esslingen blickt auf eine 1250-jährige Geschichte zurück, auf die wir zurecht alle stolz sind. Durch unsere wichtige Rolle bei der Industrialisierung und als ehemalige Reichsstadt haben wir von jeher Zuwanderungsgeschichte erlebt. Dies gilt es zeitgemäß darzustellen. Dazu gehört für uns auch die Geschichte der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter der 1960er und 1970er Jahre. Sie haben Esslingen mit aufgebaut, geprägt und sind Teil unserer Stadt – aber zu selten Teil ihrer Erzählungen.
Dies wollen wir ändern und damit auch die Identifikation stärken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ferner beantragen wir, dass das Kulturamt gemeinsam mit relevanten Akteuren eine Konzeption zur zeitgemäßen Erinnerungskultur zum Thema Nationalsozialismus in Esslingen erarbeitet und umsetzt.
Ebenso wollen wir zum Stadtjubiläum 2027 Kultur und Teilhabe verbinden: Mit einer „Virtuellen Tafel für Kunst, Kultur und Sport“. Eine digitale Plattform, über die Restkarten unkompliziert und kostenfrei weitergegeben werden können. Das Angebot ist offen, anonym und unbürokratisch und schafft neue Zugänge für Menschen, die sich reguläre Eintrittspreise nicht leisten können. Dadurch ermöglichen wir mehr kulturelle Teilhabe niedrigschwellig und stigmatisierungsfrei.
Zum Schluss bitten wir die Verwaltung, den Hilferuf des Vereins Wildwasser aufzugreifen, der uns alle kurz von der heutigen Beratung erreicht hat - und eine Lösung für die Finanzprobleme aufzuzeigen. Zwar ist die Förderung von Wildwasser Aufgabe des Landkreises – aber die soziale Beratungsarbeit von Wildwasser ist zu wichtig, als dass der Verein hier auf Entscheidungen des Kreises warten kann.
Wir Grüne übernehmen auch in schwierigen Zeiten Verantwortung. Wir wollen diesen Haushalt und die Zukunft mitgestalten, nicht nur kommentieren. Klimaschutz, Bildung, Zusammenhalt und nachhaltige Wirtschaft sind keine Kür, sondern Pflichtaufgaben einer zukunftsfähigen Stadt.
Wenn wir heute mit Augenmaß investieren, sichern wir morgen Handlungsfähigkeit. Dafür stehen wir Grüne.
Nun bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen gute und faire Beratungen.