Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
der Busverkehr in Esslingen muss so schnell wie möglich emissionsfrei und klimaneutral umgestaltet werden. Durch den SVE als städtisches Unternehmen, den schon beschlossenen Ausbau des Oberleitungsnetzes und die neuen Elektrohybridbusse mit kleiner Batterie hat Esslingen die einmalige Chance dies mit überschaubarem Aufwand, ohne Mehrkosten in die Oberleistungsinfrastruktur und sogar als erste Stadt in Deutschland umzusetzen.
Daher stellen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linke nachfolgenden Antrag.
Carmen Tittel (Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen), Nicolas Fink (Fraktionsvorsitzender SPD) und Tobias Hardt (Die Linke)
Antrag
- Die bisher vom Busunternehmen Firma Rexer erbrachten Verkehrsleistungen erfolgen ab 1. Januar 2021 bis zum Ende der aktuellen Vergabeperiode komplett in Eigenerbringung durch den städtischen Verkehrsbetrieb (SVE).
- Auf eine erneute Subvergabe wird verzichtet.
- Die Leistungserbringung erfolgt ab 2024 zu 100 Prozent elektrisch („Variante 3+“).
- Die Ausschreibung der dadurch zusätzlich erforderlichen (komplett vom Landkreis Esslingen finanzierten) Fahrzeuge wird beschlossen. Dabei haben Bus-Neubeschaffungen zukünftig immer mit ausreichender Plattformlänge für Fahrräder und Rollatoren (mind. 2,15 Meter) zu erfolgen.
- Die durch das Tarif-Delta zwischen den Tarifvertraglichen Regelungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs zwischen dem Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) und dem Tarifvertrag im privaten Kraftomnibusverkehr (WBO und ver.de) entstehenden Mehrkosten in Höhe von anfänglich rd. 305.000 Euro jährlich werden von der Stadt getragen und über verschiedene Maßnahmen finanziert.
- Ein Teil der Mehrkosten werden über einen CO2-Kostenausgleich durch den Landkreis Esslingen eingespart. Die Bundesregierung plant die Einführung einer bundesweiten CO2-Steuer auf Diesel. Dadurch entstehen dem Landkreis als Träger der öffentlichen Verkehrsleistungen Mehrkosten. Diese Mehrkosten entstehen bei einer komplett öko-elektrischen Leistungserbringung in der Stadt Esslingen nicht. Die Stadtverwaltung wird zu Nachverhandlungen mit dem Landkreis aufgefordert, sobald die Bundesregierung die CO2-Steuer eingeführt hat, um die eingesparte CO2-Steuer auf die Mehrkosten anzurechnen.
- Ein weiterer Teil der Mehrkosten wird durch die Einführung und Erweiterung der Bewirtschaftung von Parkraum und der Ausweitung des Anwohnerparkraums erbracht.
- Die Verwaltung prüft, inwieweit ein Teil des entstehenden Tarifdeltas aus dem städtischen Zuschuss zum Stadtticket gegenfinanziert werden kann.
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Basis einer Erhöhung könnte beim Einzelstadtticket von derzeit 3 Euro auf beispielsweise 3.50 Euro und beim Gruppenticket von derzeit 6 Euro auf beispielsweise 7 Euro erfolgen. Dem zuständigen Ausschuss wird ein Beschlussvorschlag zur Diskussion für eine Nachjustierung beim VVS vorgelegt. - Die noch verbleibenden Mehrkosten werden beispielsweise über Verkäufe aus den beim SVE eingelegten Aktienfonds aus ehemaligen EnBW-Aktien finanziert.
Begründung
Klimaschutz, Luftreinhaltung und Lärmminderung dürfen sich nicht nur in Sonntagsreden niederschlagen, sondern müssen sich auch ganz konkret auf das Handeln unserer Stadt auswirken. Nach dem schon beschlossenen Ausbauplan wären die neuen Oberleitungen ab dem 1. Januar 2024 betriebsbereit und weitere Oberleitungshybridbusse für hundert Prozent elektrischen Betrieb nach Herstellerangaben lieferbar. Ab diesem Zeitpunkt können nach Angaben des SVE daher auch die weiteren Linien ohne weitere Mehrkosten in die Oberleitungsinfrastruktur zu hundert Prozent elektrisch betrieben werden.
Daher muss die Stadt die Möglichkeit die sich aus der Vertragsbeendigung mit Rexer ergibt, nutzen, und als wahrscheinlich erste Stadt in Deutschland, die komplette Leistung des öffentlichen Busverkehrs, mit Oberleitung und damit klimaschonend zu erbringen.
Bei einer Vergabe an einen externen Dienstleister würden ansonsten 37 Prozent der Busleistung bis mindestens 2028 erneuten mit Dieselbussen erbracht. Wir halten es nicht für zukunftsweisend und vertretbar weitere 8 Jahre mit Dieselbetrieb zu fahren.
Da sich die Finanzen der Stadt, auch bedingt durch die Auswirklungen der Corona-Pandemie, absehbar negativ entwickeln, muss das entstehende Tarifdelta für Personalkosten von rund 305.000 Euro pro Jahr gegenfinanziert werden.
Dass dieses Tarifdelta, das durch bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen für Busfahrerinnen und Busfahrer zustande kommt, vom Landkreis Esslingen nicht übernommen wird, ist für uns nicht nachvollziehbar. Den Sonntagsreden während der Corona-Krise und den Lobeshymnen für die sogenannten „Alltagshelden“, die das öffentliche Leben während des Lockdowns aufrechterhalten haben, sollten auch Taten folgen. Wir werden uns deshalb auch zukünftig dafür einsetzen, dass Bund, Land und Landkreis den Kommunen die notwendigen Finanzmittel zukommen lassen, damit wir in Esslingen und im ganzen Landkreis einen attraktiven, preisgünstigen, klimaneutralen und unter angemessenen Bedingungen für Fahrerinnen und Fahrer organisierten ÖPNV anbieten können.
Ferner ist davon auszugehen, dass sich über die turnusmäßigen Verhandlungen der Tarifpartner im privaten Omnibusgewerbe in Baden-Württemberg (WBO und ver-di) sowie die Tarifvertraglichen Regelungen im öffentlichen Dienst (Tarifvertrag TV-N) angleichen. Dadurch verringert sich das bestehende Tarifdelta. Die jeweiligen Veränderungen innerhalb der tarifvertraglichen Regelungen werden dem Gemeinderat turnusmäßig dargestellt und mit dem Landkreis nachverhandelt.
Zu den Finanzierungsvorschlägen machen wir folgende Erläuterungen:
Teilfinanzierung über CO2-Steuer:
Bei Vertragsabschluss zur Finanzierung des Esslinger Busverkehrs mit dem Landkreis war nicht vorhersehbar, dass der Bund eine CO2-Besteuerung einführen wird. Bei dieselbetriebenen Bussen muss der Landkreis den Busunternehmen die dadurch entstehenden höheren Betriebskosten für Dieselnutzung erstatten.
Diese könnten wie folgt aussehen:
- vom SVE angegebene Jahreskilometer (SVE + Rexer): 3 Mio. km pro Jahr - vom SVE angegebener Dieselverbrauch auf 100 km: 55-60 L pro 100 km
Daraus ergeben sich bei vom Bund geplanten 7 ct CO2-Steuer auf den Liter Diesel 115.500 Euro pro Jahr und bei 8 ct CO2-Steuer pro Liter Diesel 144.00 Euro pro Jahr. Die jeweils eingesparte Summe aus der CO2-Steuer muss der Landkreis der Stadt Esslingen in geeigneter Weise anrechnen.
Teilfinanzierung durch Ausweitung und Einführung der Parkraumbewirtschaftung und Ausweitung des Anwohnerparkens für einen hundert Prozent klimaneutralen ÖPNV: Die Stadt Esslingen kommt mit einem zu hundert Prozent elektrisch erbrachten ÖPNV ihren CO2-Einsparungszielen und den Klimaschutzzielen deutlich näher. Davon profitiert auch der Autoverkehr. Daher muss auch der Autoverkehr seinen Anteil an der Finanzierung der durch die Übernahme entstehenden Mehrkosten erbringen.
Denn, ein klimaschonender Verkehr muss nach dem Verursacherprinzip von CO2-Emissionen finanziert werden. Autofahrer müssen deshalb an der Elektrifizierung des ÖPNV und damit an der Erreichung der Klimaziele im Sektor Verkehr beteiligen werden. Durch Parkraumbewirtschaftung lässt sich die Verkehrsmittelwahl Gebietsfremder wirksam steuern – nicht nur in der Innenstadt. Wer keinen Parkplatz findet, steuert sein Ziel das nächste Mal eher mit dem Bus oder dem Rad an. Anwohner finden so deutlich leichter einen Parkplatz. Dies zeigt auch das neu eingeführtes Anwohnerparken um die Wielandstraße. Dort hat es jetzt deutlich mehr freie Parkplätze für die Anwohner.
Konsequente Parkraumbewirtschaftung entlastet so Wohnquartiere und Innenstädte und macht sie attraktiver. Parkraumbewirtschaftung ist verglichen mit vielen anderen Infrastrukturmaßnahmen kostengünstig und schnell umsetzbar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass eine ausreichende Anzahl Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Menschen und Ladezonen zur Verfügung steht, die auch für das Abstellen von Fahrzeugen der Pflegedienste im Einsatz genutzt werden dürfen.
Zonen mit Anwohnerparken und Parkraumbewirtschaftung hemmen die Anschaffung von Zweit-, Dritt- und Viertautos insbesondere wenn die Anzahl der Anwohnerparkausweise pro Haushalt beschränkt wird. Ohne Parkraumbewirtschaftung werden Zweit-, Dritt- und Viertautos für den Halter kostenfrei, jedoch von der Allgemeinheit subventioniert im öffentlichen Raum abgestellt. In den letzten 10 Jahren hat auch aufgrund dieser Anreize die Anzahl der zugelassenen PKW um 15 Prozent zugenommen. In 2019 waren gar 1,4 Prozent mehr PKW auf Deutschlands Straßen als im Vorjahr. (Quelle: Kraftfahrt Bundesamt). Teilfinanzierung durch Verwendung Zuschuss Stadtticket: Einen Teilbetrag zur Finanzierung der Mehrkosten schlagen wir aus dem Zuschusses zum Stadtticket zur Finanzierung vor. Dieser beträgt derzeit rund 1 Mio. Euro pro Jahr und könnte gesenkt werden. Um dies zu erreichen, könnte der Preis des Stadttickets geringfügig erhöht werden. Wir halten einen Beitrag auch der ÖPNV-Nutzer in Form einer geringen Anhebung des Stadtticketpreises bei einem deutlichen Mehrwert für Klima, Luft und Lärm, für vertretbar.