Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
seit Monaten tauschen wir die Vor- und Nachteile und die Pro- und Contra-Argumente der jeweiligen Standorte Pfleghof und Kögel öffentlich aus. Daher werde ich dazu heute nichts mehr sagen.
Alle hier im Saal kennen alle diese Argumente. Es wäre daher müßig, erneut alle aufzuzählen.
Für beide Standorte liegen Machbarkeitsstudien vor. Für beide Standorte liegen ausführliche Pläne vor, die die Flächen genau bezeichnen. Für beide Standorte liegen belastbare Kostenschätzungen vor. Es ist mir daher wichtig, heute nochmals darauf hin zu weisen, dass auch der Flächen- und Kostenvergleich beider Standorte problemlos möglich ist.
Daher musste niemand auf eine Vergleichsausarbeitung durch die Vw warten: Man muss nur beide Pläne auf den Tisch legen und vergleichen.
Dies gilt im Übrigen auch für die Heugasse 11. Auch dazu liegen alle Zahlen, Daten und Fakten auf dem Tisch. Wir alle haben gehört: würde die Heugasse 11 der Bücherei zugeschlagen, würden Kosten für Sanierung und Umbau von ca. 11 Mio. Euro anfallen. Würde die Heugasse 11 als Wohnraum saniert, entstünden Kosten von rd. 4 Mio. Euro.
Und die Wunschvorstellung von einigen im Gemeinderat, dass in den Kögel nochmals qualitativ hochwertiger Einzelhandel einziehen wird – ist keine realistische Option. Wir alle bedauern, dass der Einzelhandel sich in allen Städten dieses Landes schwertut, und einem extremen Wandel unterliegt. Aber Wünschen hilft nicht weiter. Wir müssen darauf reagieren!
Ein Grund mehr, mit der Bücherei im Kögel, der Innenstadt die Chance zu geben, trotz fehlendem Flaggschiff Kögel eine hohe Besucherfrequenz zu generieren und keinen Leerstand oder minderwertige Nutzungen.
Das hilft dem verbleibenden Handel, dem Tourismus und der Gastronomie und fördert, die Identifikation und das Wohlbefinden der Besucherinnen und Besucher in der Innenstadt.
Viele Städte gehen daher genau diesen Weg: In großen leerstehenden Einzelhandelsflächen in der Innenstadt ein Besuchermagnet wie eine Bücherei unterzubringen. Wir wären da nicht die einzige Stadt, die damit versucht dem verbleibenden Einzelhandel zu helfen, und die Innenstadt attraktiv zu halten.
Bei einer entsprechenden Entscheidung für den Kögel, werden wir das Gebäude kaufen. Damit fließt der Invest bei beiden Standorten dem Vermögen der Stadt zu.
Für uns Grüne eines der entscheidenden Kriterien.
Denn Investitionen in Eigentum, in Liegenschaft die der Stadt selbst gehören, generiert Wertschöpfung für heute und morgen.
Es ist daher hohe Zeit endlich zu entscheiden, welcher der beiden Standorte für die Zukunft unserer wichtigsten Kultureinrichtung in der Stadt ausgewählt werden soll.
Uns Grünen geht es um die Institution Stadtbücherei.
Nicht vorrangig darum in welchem Gebäude. Der wichtigere Part bei der Entscheidung muss der Betrieb der Bücherei sein.
Wo hat der Betrieb unserer Bücherei die beste Zukunftsperspektive.
In welchem Gebäude kann eine moderne und zeitgemäße, eine zukunftsweisende Bücherei mit Entwicklungspotential zur Bücherei der Dinge, zur Bücherei als dritter Ort, zur Bücherei für unsere Kinder und Enkel, zur digitalen Bücherei entstehen.
Und – in welchem Gebäude kann eine klimaneutrale Bücherei entstehen? Nach den Erläuterungen der Verwaltung auf die Nachfrage der CDU wissen es nun alle! Auch in diesem Punkt wird deutlich: Im Kögel wird eine weitgehend klimaneutrale Bücherei realisiert. Das ist im Pfleghof aus denkmalschutzgründen so nicht möglich.
Es geht darum, diese Kultur- und Bildungseinrichtung so unterzubringen, dass es für die nächste Generation trägt.
Der Standort einer Bücherei wird sicher in allen Städten nur einmal pro Generation oder noch seltener entschieden.
Wir legen damit für unsere Kinder und Enkel fest, wie sie in Zukunft diese Bildungseinrichtung weiterentwickeln können – oder eben nicht. Ob sie Platz für geänderte Bedürfnisse in der Zukunft haben - oder nicht. Ob sie sich in einem modernen Gebäude weiterentwickeln können - oder deutlich eingeschränkter in einem Mittelalterlichen.
Die nächste Generation muss mit unserer Entscheidung leben. Daher würde ich mir wünschen, dass nur und ausschließlich die Zukunft der Bücherei als Bildungs- und Kultureinrichtung und als Begegnungsort einer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, und nicht in erster Linie die Hülle – also das Gebäude.
Die Bücherei der Zukunft ist weit mehr als ein klassischer Ort für Bücher: Sie ist Kultur- und Medienhaus, lebendiger Lernraum und sozialer Treffpunkt – ganz ohne Verzehrzwang. Die Räume im ehemaligen Kögel bieten dafür unvergleichlich bessere Voraussetzungen.
Es ist der Lauf der Dinge, dass Entscheidungen die heute getroffen werden, den Gestaltungsspielraum der Nachfolger einengen – oder eben nicht.
Auch die Stadträtinnen und Stadträte die früher Verantwortung hatten, haben uns so manches hinterlassen, dass wir heute lieber nicht hätten. So war es beispielsweise richtig, dass der Gemeinderat in den 70er Jahren beschlossen hatte, den Durchgangsverkehr aus der Altstadt herauszunehmen.
Grottenfalsch war allerdings die Entscheidung – ausschließlich aus finanziellen Gründen -, die Ringstraße nicht in einen Tunnel zu legen, sondern eine 4-spurige Schneise durch die Altstadt zu schlagen, unter der wir heute noch leiden.
Die Kredite für einen Tunnel wären längst abbezahlt.
Wären sie doch damals mutiger gewesen und hätten mehr Geld, in den Hand genommen! Dann wäre unsere Stadt einiges erspart geblieben. Mehr als 150 Häuser wurden abgerissen darunter auch Denkmale. Der Schaden war deutlich größer als im 2. Weltkrieg und die Stadt leidet nach wie vor unter dieser Entscheidung.
Warum erzähle ich das?
Weil unsere Entscheidung heute auch einen finanziellen Kraftakt darstellt, aber nach meinem Dafürhalten für die nächsten Generationen – trotz hoher Kosten - ein unglaublicher Gewinn wäre.
Eine tolle moderne Bücherei im Kögel.
Und eine Erweiterung unserer Museen, mit endlich neuen Möglichkeiten die Schätze unserer 1250 Jahre alten Stadt zu präsentieren. Und gleichzeitig ein Umzug des bedeutenden und einmaligen Schreibermuseums in den altehrwürdigen Pfleghof.
Was für ein Gewinn für die Stadtgesellschaft. Für die Kultur. Für unsere Bildungseinrichtungen.
Wir dürfen unsere Entscheidung nicht allein davon abhängig machen, dass wir uns dafür finanziell zur Decke strecken müssen. Es lohnt sich, sich für gute Infrastruktur die Generationen tragen muss, zur Decke zu stecken.
Es sind Investitionskosten in die Zukunft.
Für Infrastruktur-Investitionen in die Zukunft ist es völlig in Ordnung Kredite aufzunehmen. Das macht der Bund. Das macht das Land. Das macht jeder Häuslesbesitzer, wenn er ein Haus oder eine Wohnung kauft oder saniert. Das sind Investition in das eigene Vermögen bzw. in das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.
Ich kann nur appellieren, an alle Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und an Sie alle Zuhörenden: Bei einer so wichtigen Entscheidung sollten nur sachliche Gründe den Ausschlag geben und keine Emotionen oder sonstige Gründe Berücksichtigung finden.
Ich kann verstehen, dass Sie emotional am Pfleghof hängen. Sie waren wahrscheinlich selbst als Kind oder Jugendlicher dort – so wie ich als gebürtige Esslingerin auch (seit 1989 im Pfleghof, davor VHS und Bücherei im Faulhaber`schen Haus). Sie waren dann mit ihren Kindern und Enkel ebenfalls dort. Ich auch.
Das gibt gute Gefühle des Kennens, der Zugehörigkeit, des Zuhausefühlens. Das verstehe ich. Aber diese Emotionen dürfen uns nicht leiten.
Zumal der Pfleghof weiter als Museum genutzt wird und für alle weiterhin zugänglich bleibt.
Wir Gemeinderäte sind gewählt worden, um stellvertretend für die Bürgerschaft dieser Stadt, Entscheidungen zu treffen.
Das ist das Wesen unserer repräsentativen Demokratie. Wir sind auf das Wohl der Stadt vereidigt. Wir sollten keine emotionalen Entscheidungen treffen, sondern müssen uns an den Fakten orientieren. Wir müssen uns für die beste Zukunft unserer städtischen Einrichtungen entscheiden.
Daher ist es auch nicht richtig, mit dem Bürgerentscheid zu argumentieren. Die Bürgerschaft hat vor fünf Jahren aus zwei möglichen Alternativen entschieden. Emotional. Das kann ich nachvollziehen.
Aber die Entscheidung heute ist eine andere.
Daher sind jetzt auch der Bürgerausschuss Innenstadt, der Planungsbeirat, der Jugendgemeinderat, das Netzwerk Kultur und viele, viele andere für den Umzug der Bücherei in den Kögel. Sie haben sich alle von sachlichen Argumenten leiten lassen.
Und ganz wichtig und entscheidend: Das Team der Bücherei wünscht sich einen Umzug in den Kögel! Das Team der Bücherei sieht im Kögel die besten Bedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft eines modernen 3. Ortes, einer Bücherei der Dinge, einer Bücherei für die nächsten Jahrzehnte – und die werden mit Sicherheit andere Anforderungen an eine Bücherei stellen, als in den vergangenen Jahrzehnten.
Wir haben inzwischen in junges Team das hoch motiviert die Bücherei in die Zukunft führen will. Das ist nicht selbstverständlich! Damit haben wir ein großes Glück hier in der Stadt. Junge, gut ausgebildete Fachkräfte sprechen sich für den Kögel und die Entwicklungsmöglichkeiten dort aus.
Ganz im Ernst:
Wer sind wir hier im Gemeinderat – der wir von Büchereiwesen und Bibliotheksarbeit nur als Nutzer eine Ahnung haben – uns gegen diese Stimmen des Büchereiteams zu stellen!
Das grenzt für mich an Hybris.
Zum Schluss nochmal ein paar Sätze zu Bürgerentscheiden:
Die Welt verändert sich rasant. Wer hätte 2019 gedacht, dass wir heute in Europa einen offen Krieg haben, dass wir Milliarden in Aufrüstung investieren oder über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutieren. Wer hätte 2019 gedacht, dass der orangene Clown im Weißen Haus wiedergewählt wird und die Weltwirtschaft in die Krise treibt und den Klimawandel per Dekret für nicht existent erklärt.
Ja. Die Welt dreht sich weiter und daher sind demokratische, politische Entscheidungen nie statisch, sondern immer nur Entscheidungen für und in einer bestimmten Zeit. So ist auch unser Leben. Alles verändert sich ob uns das gefällt oder nicht.
So haben sich eben auch die Rahmenbedingungen für die Bücherei seit 2019 verändert. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, müssen sich die nachfolgenden Entscheidungen flexibel diesen Veränderungen anpassen.
Daher sind wir heute hier.
Wir entscheiden neu, nachdem sich die Rahmenbedingungen für einen Standort fundamental geändert haben.
Im Übrigen würde ich gerne noch ergänzen, dass sich 2019 stattliche 28 % der Bürgerinnen und Bürger am Bürgerentscheid beteiligt haben. Die große Mehrheit der Bürgerschaft nämlich 72 % haben aber kein Votum abgegeben.
Und von dieser großen Mehrheit gibt es mit Sicherheit sehr viele, die die Bücherei als Einrichtung nutzen – nur eben der Standort war ihnen nicht wichtig.
Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass ihnen die Institution Bücherei nicht wichtig ist. Die stand aber niemals zur Abstimmung.
Zum Schluss möchte ich an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren: Entscheiden Sie bitte nach sachlichen Erwägungen und nicht nach emotionalen.
Entscheiden Sie nach Zukunftsperspektiven - vor allem für unsere Kinder und Jugendlichen – und nicht nach Gefühl.
Chancen die sich auftun, sind dazu da genutzt zu werden!
Handeln wir danach!
Vielen Dank fürs Zuhören.